Dienstag, 10. Juli 2012

Ferien auf dem Balkon - spanischer Krisenalltag

Urlaubsreisen werden sich in diesem Jahr wohl viele Spanier nicht leisten können. Die Wirtschaftskrise lässt die Leute die Gürtel enger schnallen.
Die unsichere Lage bringt nur eine Gewissheit hervor: Bei den auf heimische Kundschaft spezialisierten spanischen Hoteliers bleiben die Betten leer. Der Hotelierverband beziffert den Rückgang von Reservierung durch spanische Gäste im Verhältnis zu 2011 auf 30 Prozent.

Familie Martinez aus Barcelona kann man als typisches Beispiel ansehen. 15 Jahre lang ging es stetig aufwärts mit ihrem Lebensniveau. Die Familie war daran gewöhnt, sich mit jedem Jahr ein wenig mehr leisten zu können. Dann kam der Schock. Plötzlich machte die Krise Schluß mit der positiven Entwicklung. Francisca Martinez ist Grundschullehrerin. Am 31. Juli läuft ihr Arbeitsvertrag aus. Normalerweise, so sagt sie, war der jedes Jahr automatisch erneuert worden. Aber in diesem Jahr wisse sie noch nicht, wie es weitergehe. Wenn sie es schaffe, den Job zu behalten, dann wohl nur zu schlechteren Bedingungen. Folglich habe die Familie beschlossen, in diesem Jahr auf eine Ferienreise zu verzichten. Ehemann Eduardo arbeitet in der Automobilbranche. Auch sein befristeter Vertrag ende im August. Er fürchtet, sich dann arbeitslos melden zu müssen. Eduardo wörtlich: "Für Familienurlaub einen Kredit aufzunehmen, kommt überhaupt nicht in Frage. Das wäre verrückt. Wir bleiben zu Hause, um überleben zu können."
Vielleicht findet sich der Familienvater ja bald in der Schlange der Arbeitssuchenden wieder. Deren Anteil an der arbeitsfähigen Bevölkerung ist im Mai auf 24,6 % gestiegen. Jordi Goula leitet die Wirtschaftsredaktion der in Barcelona erscheinenden Zeitung "La Vanguardia." Er bestätigt: "Nach der jüngsten Studie fürchten 70% der Spanier, innerhalb der nächsten sechs Monate ihren Job zu verlieren. Folglich sind sie jetzt beim Geld- ausgeben besonders zurückhaltend. Dies ist schon das 14. Quartal hintereinander, in dem die privaten Ausgaben zurückgehen."
In dieser Lage hoffen viele Spanier auf ausländische Touristen, bei denen das Geld noch lockerer sitzt. Saison-Jobs in der Tourismusbranche sind gefragt wie nie.