Es weht ein Wind in Europa. Der Wind des Separatismus. Kurz vor den vorgezogenen Regionalwahlen rufen viel Katalanen dazu auf, ihre Kultur zu würdigen.
Eineinhalb Millionen Menschen hat dieses Thema im vergangenen September auf die Straßen von Barcelona gelockt. Die Unabhängigkeit nährt ebensoviele Zweifel wie Hoffnungen in der Hauptstadt der Region.
Spanien und ganz Europa diskutieren über die Abspaltung der autonomen Region, die kurz vor den Neuwahlen steht.
Es gibt viele Beispiele der Separatismusbewegung in Katalonien. Das katalanische Dorf Sant Pere de Torelló ist durch seine Unabhängigkeitserklärung berühmt geworden.
Vor eineinhalb Jahren hat Bürgermeister José Fabrega Colóme vor dem Rathaus die Estelade gehisst, die Flagge der katalanischen Unabhängigkeit. Er ist nicht der Einzige: "Im Augenblick gibt es 180 Rathäuser, die die katalanische Flagge vor ihrem Balkon gehisst haben."
Die Separatisten forden hauptsäschlich ein neues System der staatlichen Steueraufteilung. Die Ausgaben in Katalonien sind weit niedriger als die Steuern, die eingezogen werden.
Der Bürgermeister von Torelló ist sich der Notsituation, in der sich Spanien befindet, bewusst. Dennoch fordert er die Unabhängigkeit: "Katalonien zahlt jedes Jahr 16 Milliarden Euro an den spanischen Staat, die nicht in die Region zurückinvestiert werden. Deswegen müssen wir vor der spanischen Regierung jetzt unserere Stärke beweisen."
Die Abspaltung ist unter anderem auch aufgrund der Schulden, die die Region hat, wichtig. Kataloniens Präsident Artur Mas verspricht ein Volksbegehren für die Unabhängigkeit, sollte seine Partei die vorgezogenen Neuwahlen gewinnen.
Dann würde aber eine Reform der spanischen Verfassung benötigt werden, da diese im Augenblick die Abspaltung Kataloniens verbietet. Würde das Szenario umgesetzt werden, hätte das auch internationale Konsequenzen. Das Land wäre dann nicht mehr Mitglied der Europäischen Union und müsste den Beitritt neu beantragen. Der Aufnahmeprozess könnte mehrere Jahre dauern.
Der Wirtschaftsexperte Oriol Amat beantwortet die formellen Fragen bezüglich des EU-Beitritts: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EU eine Region, die viel Geld mitbringt, die sehr Pro-Europa eingestellt ist, außen vor lassen wird. Die EU hat in der Vergangenheit viel investiert in Katalonien."
Doch genau diese Frage beunruhigt die spanische Wirtschaft. Wenn Katalonien nicht mehr EU-Mitglied ist, dann steht der Euro-Austritt bevor. Außerdem werden sich die Wirtschaftsbeziehungen zu Spanien verschlechtern.
Einige Unternehmen aus Barcelona drohen mit der Verlagerung des Unternehmenssitzes, falls Katalonien tatsächlich seine Unabhängigkeit erklärt.
Diese könnte für einige Händler horrende Konsequenzen haben. Ein kleiner Verleger würde dadurch vor dem Aus stehen: "Etwa 80 % der Rechnungen und der Verkäufe des Unternehmens werden außerhalb Kataloniens getätigt.
Wenn wir nicht mehr zu Spanien und zur Europäischen Union gehören, dann würden unsere Produkte besteuert werden. Die Kunden würden sich einfach andere Händler in ihrem eigenen Land suchen."
Es gibt aber auch Betriebe, die Profit aus der Diskussion um die spanische Unabhängigkeit ziehen: Der Verkaufsschlager der Firma Estampser ist die Fahne der katalanischen Unabhängigkeit. Der Verkauf der Sternenbanner ist in diesem Jahr stark angestiegen. Viele Kunden sind vor der Firma angestanden, um eine Flagge zu kaufen.
Jenseits der Nischenmärkte ist unsicher, ob das Label "katalanisch" weiterhin Erfolg haben wird. Die Debatte über die Unabhängigkeit verunsichert die Politik. Der Tourismussektor fürchtet sich nicht vor einem unabhängigen Katalonien. Die Anzahl der Urlauber ist in den ersten Monaten dieses Jahres sogar angestiegen, genauso wie die Ausgaben der Besucher. Sie sind durch die Unabhängigkeitsbewegung nicht verunsichert.
Katalonien ist für Investoren attraktiv: Die Unabhängigkeit der Region würde aber viele Fragen hervorrufen. Die Spekulationen beziehen sich hauptsächlich auf einen Boykott Spaniens. Dort wird die Hälfte aller in Katalonien hergestellten Produkte verkauft.
Wirtschaftsexperte Oriol Amat hält das Überleben eines autonomen Kataloniens dennoch für möglich: "Unter den 20 wirtschaftsstärksten Ländern der Welt haben 14 weniger als 7 Millionen Einwohner."
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